Ich besuche meine Eltern im Weinviertel!
Doch bevor ich das mache, möchte ich mich noch etwas sportlich betätigen. Darum beschließe ich spontan, meine Sachen zu packen und mit dem Zug nach Zellerndorf zu fahren. Dieses liegt im Retzer Umland, nahe an der Grenze zur Tschechischen Republik. Die Fahrtzeit beträgt eine gute Stunde. Trotzdem nehme ich mein Netbook mit und schreibe ein paar Zeilen für mein Buch.
Ich trete die Reise mit dem Regionalzug an, der von Wien nach Unterretzbach fährt. Es handelt sich um Doppeldeck-Waggons, wie sie auch Westbahn auf der Weststrecke hat. Abgesehen vom fehlenden Snack- und Kaffeeautomaten ist der Reisekomfort ähnlich. Nur die ausklappbare Lade ist etwas schmäler. Das merkt man dann, wenn man das Smartphone oder ein Getränk daneben abstellen möchte. Trotz allem ist die Fahrt im Regionalzug, der im Volksmund auch "Wiesel" genannt wird, stets ein unvergessliches Erlebnis.
Zunächst laufe ich vom Bahnhof einen guten Kilometer in den Ortskern. Dies ist das Gemeindeamt am Grünen-Veltliner-Platz. Dort befindet sich auch eine große Tafel mit allen Themen-Wanderwegen oder Radstrecken mit Beschreibung. Ich freue mich, dass auch kleine Orte ihre Schätze ernst nehmen und sie ihren Gästen so gut wie möglich präsentieren und zugänglich machen.
Vor dem Eingang zum Gemeindeamt steht eine große Büste vom österreichischen Kaiser Franz Josef. Ich habe mir schon vorab die Thementour "Berg & Tal" ausgesucht. Auf der Webseite des Retzer Umlandes findet ihr unter der Kategorie "Wandern" alle Themenwege. So auch dieser. Violette Wegweiser mit weißer großer Aufschrift machen es mir leicht, dem Weg zu folgen. Eine Navigation mittels GPS hätte es also gar nicht gebraucht. Manche Gebäude sind schon sehr alt und man stellt sich unweigerlich die Frage, welche Geschichten dahinterstecken. Nun, der Ort gibt auch nicht alle Geheimnisse preis.
Ich laufe zur Straßengabelung zwischen Hauptstraße und der Einfahrt zur Maulavern Kellergasse. Dort befindet sich nicht nur ein kleines Weinmuseum, sondern auch das Fleischer-Kreuz, welches auf der Tafel so beschrieben wird:
Errichtet wurde es gegen Ende des 17. Jahrhunderts von einem Fleischhauer. Auf dem Pfeiler findet sich eine "Fleischerbraxe", die in der damaligen Zeit als Zeichen für die Fleischerinnerung galt. Der heutige Standort ist zugleich der Anfangspunkt für die berühmte Maulavern Kellergasse. Das Fleischer-Kreuz wird auch Pest-Kreuz genannt. Im Tabernakel-Aufsatz unter einem Steinkreuz befinden sich Reliefs der Pestheiligen: Sebastian, Rochus und Rosalia.
Die Maulavern Kellergasse ist schon ein wahrer Hingucker. Die Straße führt immer weiter hinauf auf einen Hügel, doch es bleibt angenehm, um sein Lauftempo zu halten. In der Mitte der Kellergasse befindet sich die Säule "Herrgott auf der Rast" mit der Infotafel.
Wie Christus „rastend“ an der Martersäule dargestellt wird, nennt der Volksmund "knotzader Herrgott". Der Bildstock aus dem Jahre 1708 befindet sich am Weg, den Fußwallfahrer aus Zellerndorf nach Maria Dreieichen nehmen. Im Sockelbereich werden Heilige dargestellt. Als Patron der Wallfahrer gilt der Heilige Jakobus mit dem Pilgerstab in den Händen, gegen die Pest half die Heilige Rosalia auf Fels ruhend, mit einem Kreuz dargestellt und die Heilige Helena, die der Legende nach das Kreuz Christi fand und wieder aufrichten ließ.
Aussicht auf Zellerndorf und über die Grenze Österreichs in die Tschechische Republik
An höchster Stelle, nachdem ich die Kellergasse verlassen habe, entdecke ich das markante Rank-Kreuz. Dieses Kreuz ist in etwa 180 Jahre alt. Früher befand sich dort die alte Gerichts- und Richterstätte von Zellerndorf. Lehensherren vergaben hier jährlich die Grundstücke an die Bauern.
Weiter folge ich nun einem schönen breiten Weg mit toller Aussicht auf das Weinviertel. Dies ist auch ein Abschnitt des Klemens Maria Hofbauer Pilgerwegs. Ich biege nach links in eine seicht abfallende Straße ab und erreiche wenig später den nächsten kleinen Ort namens Deizendorf. Dort befindet sich nicht nur die katholische Kirche, sondern auch ein alter, für mich sehr schön erhaltener bäuerlicher Hof, der durch einen Turm stark auffällt. Dieser gehört zur Fleischerei Schubert. Leider finde ich hier keine nähere Geschichte zu diesem Turm. Sieht dennoch sehr spannend aus. Bevor ich Deizendorf über einen südlichen Weg wieder verlasse, finde ich das sogenannte Stein-Kreuz vor. Dort steht auf der Infotafel zu lesen:
Gegenüber der ehemaligen Schule Deizendorf, dem jetzigen Dorfhaus, ist der Standort des Steinkreuzes aus dem 19. Jahrhundert. An der Abzweigung der Straße nach Schrattenthal steht das Posthaus, in dem bis zum Jahre 1922 Deizendorf ein eigenes Postamt hatte. Auf einem mächtigen Sockel erhebt sich das Stein-Kreuz auf dem Berg Golgotha.
Zwischen den Orten Deizendorf und Dietmannsdorf laufe ich am Marien-Brunnen vorbei. Dort befindet sich ein Brunnen, ein schöner Rastplatz und eine Kapelle mit Marienstatue.
Schließlich erreiche ich Dietmannsdorf und die Strecke macht eine Runde darum, bevor es dann langsam aber sicher wieder zurück nach Zellerndorf geht. Nach wie vor begeistern mich die bunten Kellergebäude am Straßenrand. Nachdem ich die Pulkaubrücke überquert habe, laufe ich nun am nördlichen Hügel des Ortes empor und habe dort eine wunderschöne Aussicht auf das weite Umland.
Der Maria-Brunnen von Deizendorf
Der nördliche Weg zurück wird für die Naturliebhaber eher attraktiv sein, war doch zunächst noch der kulturelle Aspekt ausschlaggebend. Als mich der Pfad noch einmal nach Deizendorf führt, finde ich die Marienstatue Immaculata neben der Pulkau vor. Auf der Infotafel steht geschrieben:
Die Statue zeigt uns die Darstellung „Maria, die unbefleckt Empfangene“. Maria steht auf der Weltkugel mit einer Schlange, der sie den Kopf zertreten wird, wobei die Schlange lediglich der Ferse Mariens nachstellen kann. Um das Haupt trägt Maria einen Kranz mit zwölf Sternen. Mit gefalteten Händen blickt sie gegen den Himmel. Die Marienstatue wurde auf dem Standort neben der Pulkaubrücke im 18. Jahrhundert errichtet.
Danach laufe ich vorbei am kleinen, aber schön gestalteten Friedhof des Ortes. Nahe der Pulkau finde ich dann schöne Tümpel mit Schilf und anderen Sauergräsern vor. Nicht weit davon entfernt steht das Frey-Kreuz mit folgender Botschaft:
Auf der Feldwegkreuzung in der Point Richtung Mittelbergen-Deizendorf zur Linken des Marterls und Richtung Altenberg zur Rechten steht das Frey-Kreuz. Erhöht auf einem abgefassten Pfeiler mit künstlerisch gestaltetem Kapitell ruht die Pieta. Als Regenschutz dient ein kunstvoll gestaltetes Schmiedeeisendach. Der ehemalige Standort der Bildsäule war nächst dem Nalber Gwendt an der Bundesstraße Richtung Retz an der Katastralgemeindegrenze von Zellerndorf und Unternalb. Das Marterl schufen die Eggenburger Steinmetzmeister aus dem Weißen Stein der Zogelsdorfer Brüche, wobei die Herstellung der Figurengruppe in die Jahre nach 1700 fällt.
Anschließend besuche ich die Pointenkellergasse, die jedoch nicht so lange und imposant ist wie die Maulavern Kellergasse. Schließlich erreiche ich wieder das Gemeindeamt von Zellerndorf und laufe den letzten Kilometer zurück zum Bahnhof. Erneut fahre ich mit dem City-Shuttle, jedoch nicht lange. Schon bald steige ich wieder aus und besuche endlich meine Eltern.
Mir hat die Gegend sehr viel Freude bereitet, weshalb ich mir vorstellen kann, auch die anderen Themenwege abzulaufen. Mal sehen, wann es mal wieder passt.
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